Fleischerei Thielecke in Flammen
Der Schaden durch das Feuer ist enorm, die Zukunft des Ummendorfer Unternehmens ungewiss: Wie es passiert ist, wie es weitergeht und wer jetzt Hilfe anbietet.
Der erste Werktag nach Weihnachten, kurz nach neun – in der Ummendorfer Nebenstraße Friedensplatz, Ecke Fabrikplatz herrscht wie eigentlich immer zu dieser Zeit reger Auto- und Kundenverkehr. Die Warteschlange zieht sich von der Fleischertheke durch den üppig bemessenen Verkaufsraum bis hin zur Straße. Das kennt man, wenn man Frisches von Thielecke holen will – und man stört sich auch nicht an der Wartezeit, schätzt vielmehr die Gelegenheit auf einen netten Plausch. Alles normal also in der Berliner Straße? Mitnichten!
Es ist an diesem Mittwochvormittag an diesem weithin beliebten Treff- und Versorgungspunkt im Grunde nichts mehr so wie noch vor den Feiertagen. Nicht vor und nicht hinter dem Tresen – erst recht nicht auf der anderen Straßenseite, wo Thieleckes Fleisch und Wurst verkaufsfertig verarbeitet wird. Und es gibt nur dieses eine Gesprächsthema, gepaart mit Bestürzung und Bedauern über das Geschehene: das Feuer, das in der Nacht zu Montag alles verändert hat.
Auch am heutigen Freitag soll der Laden in Ummendorf noch einmal öffnen, ebenso die Thielecke-Filiale in Wanzleben; und auch der Verkaufswagen am Elbe-Park ist noch wie gewohnt im Einsatz. Womöglich jedoch für eine lange Zeit letztmalig. „Wir betreiben jetzt Ausverkauf mit dem, was noch auf Lager ist“, sagt Inhaber Christian Thielecke (55). Wie es dann im neuen Jahr weitergeht, lasse sich noch nicht abschätzen. Zu tief noch sitzen die Eindrücke eines betrüblichen Weihnachtsfests mit all ihren schwer fassbaren Folgen: „Der Schock ist noch da, ich kann das nach wie vor nicht begreifen, ich laufe im Notfallmodus.“ Nicht anders ergeht es an seiner Seite Sohn Carlo. Sie kriegen die eine Frage nicht aus dem Kopf: Warum ausgerechnet in dieser Nacht?
Vermutlich hätte das Schadensbild an jedem anderen Tag im Jahr weniger schlimm ausgesehen, hadert Christian Thielecke mit den schicksalhaften Umständen. Die Produktion der Fleischerei ist normalerweise sehr früh besetzt. Oder es sind Hundespaziergänger unterwegs oder eben der Durchgangsverkehr über die benachbarte Bundes- sowie Landesstraße. Aber der Betrieb fing ausgerechnet zwischen Heiligabend und erstem Feiertag Feuer – zu einer nächtlichen Zeit, als die Welt ringsum weihnachtlich ruhte.
Als ein Fahrradfahrer gegen fünf Uhr morgens Alarm schlug und schnellstens ein Großaufgebot der Feuerwehr zum Einsatz eilte, war es für einen halbwegs glimpflichen Ausgang des Unglücks zu spät. Das Objekt stand schon in Vollbrand, und die Flammen griffen bereits auf das alte Wohnhaus über. Stunden später – mittlerweile war es taghell und das ganze Ausmaß klar ersichtlich – die traurige Gewissheit: Totalschaden. Finanziell noch nicht umfänglich zu beziffern und emotional kaum zu verdauen. „Immerhin ist niemand verletzt worden oder gar Schlimmeres“, sucht Christian Thielecke Trost in der betrüblichen Situation.
Technischer Defekt
Wodurch der verheerende Brand ausgelöst wurde, ist derzeit noch Gegenstand von Ermittlungen. Vermutet wird vorerst ein technischer Defekt. „Für mich ist das trotzdem ein Rätsel“, so Thielecke. Es könne allenfalls die Kühlung gewesen sein, „weil ansonsten keinerlei Maschinen oder Geräte liefen.“ Nähere Erkenntnisse dürfte in den nächsten Tagen der Brandursachenermittler liefern. Zuvor noch kommt der Baugutachter, um das, was noch steht, auf Einsturzgefahr zu überprüfen. Dann erst wird es konkret um Fragen der Versicherung und möglichen Schadensregulierung gehen.
„Fakt ist“, stellt Christian Thielecke fest, „mit einer halben Million ist es nicht getan, allein der Maschinenschaden beläuft sich auf gut 300 000 Euro.“ Wodurch sich die Fortführung des Familienbetriebs in fünfter Generation – die Fleischerei gibt es seit 1868 – nach Lage der Dinge zumindest in der Schwebe befindet. Christian Thielecke: „Es muss alles erst mal sacken und klarer werden. Wir werden uns im neuen Jahr mit der Familie und natürlich auch mit den Mitarbeitern zusammensetzen.“
Was ihm in der bangen Zukunftsfrage besonders zu schaffen macht: „Die Großaufträge beziehungsweise die Großkunden, die wir beliefern. Das ist unser Hauptgeschäft – und das können wir auf absehbare Zeit wohl nicht bedienen. Das wird problematisch, wenn diese Aufträge komplett wegbrechen.“ Für die Grüne Woche in Berlin liegen etliche Bestellungen vor; sie sollten ab der kommenden Woche abgearbeitet werden. „Das geht leider nicht“, konstatiert Thielecke weiter.
Hilfsinitiative
Wie groß der Stellenwert seiner Fleischerei in der Region ist, zeigen nicht nur die Beiträge in den sozialen Medien, die vielzählig von Betroffenheit, Mitleid und Mutmachen künden, sondern auch die rasch angelaufene Hilfsinitiative aus der Bevölkerung. So wurde beispielsweise auf der Spendenplattform „gofund.me“ eine Kampagne zur Soforthilfe für die Fleischerei Thielecke ins Leben gerufen. Das Spendenziel von 5000 Euro ist am Mittwoch bereits übertroffen worden. Die Aktion läuft laut Initiator Carsten Derda noch bis Sonntag weiter. In der Erläuterung seines Spendenaufrufs spricht Derda gewiss vielen Menschen in der Börde und darüber hinaus aus dem Herzen: „Ich nutze privat sowie als Vereinsvorsitzender, so wie viele andere auch, die Dienste der Fleischerei Thielecke. Es hat mich schockiert, diese Nachricht zu hören, was mich dazu bewegt hat, eine Spendenaktion für die Familie zu startet.“
Text: Ronny Schoof - Volksstimme