Töddenkaufhaus
Sie ist schon interessant - die Ummendorfer Lokalgeschichte. Für die Zeit um 1800 weckt eines der ersten "Töddenkaufhäuser" im Oberen Allertal die berechtigte Neugierde. Die Spurensuche dieser Gründung wirft die Frage auf, wer diese "Tödden" waren, woher sie kamen und was sie in unsere Gegend führte.
Ecke Schäferstrasse/Meyendorffstrasse (im Stil der Biedermeierzeit errichtet).
Tödden
Tödden, wie sie Josef Winckler in seinem Westfälischen Heimatbuch "Pumpernickel" (1926) beschreibt, waren keine Kolonisten oder Auswanderer im üblichen Sinne. Für den Ursprung der Tödden werden verschiedene Varianten angegeben, u. a. sollen sie im Siebenjährigen Krieg ihren Anfang genommen haben,
"da Schlesien verwüstet wurde und viele Schlesier als Kaufleute und Händler, meist mit Leinen, auswanderten. Nach anderer Lesart kamen sie auf während der großen Kontinentalsperre, da der Schmuggel von und zur See sich lohnte und der Bedarf des Binnenlandes bei den zahllosen Zollschranken der vielen Einzelländchen nur auf vielen Einzel-wegen befriedigt werden konnten. Am natürlichsten scheint mir (Josef Winckler) die Auffassung, auch alle diese Kaufmannsscharen trieb nackter Existenzkampf aus der Heimat , die an Bodenschätzen arm war."
Winckler schreibt weiter: "Es gibt sogar Uberlieferung, nach welcher auch der gesamte Tödden-Leinenhandel erst aus Hollandgängern entstanden sei: Ein Arbeiter aus Mettingen ließ nämlich seinen Kittel in Holland waschen, und die Waschfrau erstaunte über das starke, schöne Gewebe und bat den armen Münsterländer, ihr nächstesmal so ein Rollen Leinen mitzubringen. Dies fand bald Nachahmung und immer höher schwollen die Stapel, die erst in Kiepen, dann in Karren, zuletzt auf Planwagen in Karawanen aus dem Münsterländischen über die nachbarliche Grenze zogen."
Der Kaufmann Sunder
Welcher Fassung man sich auch immer anschließen mag, eines trifft mit Sicherheit zu, daß die Geschäftstüchtigkeit zu den herausragenden Eigenschaften dieser Tödden gehörte. Dies beweist nicht zuletzt ein echter schon seßhafter Tödde namens Sunder, der vier Filialen bei Magdeburg, in Ummendorf, in Seehausen, Drackenstedt und Erxleben hatte. Winckler beschreibt ihn als einen "hageren, aufgeschlossenen Mann mit einem tiefen Hang zum Grübeln, der ihn aber nicht behinderte, wie ein Traber das Leben an die Kehle zu packen."
Das alte Ummendorfer Kaufhaus, die ehemalige Bäckerei Duwald (Ecke Meyendorffstraße/Obere Schäferstraße - Foto), ist solch eine Sundersche Gründung. Im wohlhabenden und behaglichen Landhausstil der Biedermeierzeit wurde das Wohnhaus errichtet. Der Seitenflügel beherbergte ein geräumiges Warenlager. Der Standort schien bewußt gewählt, denn das Amt der hiesigen Burg, die nahe Kirche und auch die Schule sorgten für einen entsprechenden potentiellen Kundenstrom. Weitere Impulse für das notwendige Hinterland gaben auch die Vitriolhütte und das Zechenhaus bei Wefensleben sowie die umliegend betriebene Sandsteingewinnung. So wurden in den Sandsteinbrüchen des Oberen Allertals in dieser Zeit Hunderte von Steinmetzen beschäftigt.
Ende der Niederlassungen
Das Ende der Kontinentalsperre veränderte die Wirtschaftslage. Durch die neu entstandenen englischen Fabriken, die das Bedrucken von Kattun selber besorgten, wurde auch das Sammeln und Transportieren der Tuchballen übernommen. Die Niederlassungen der Tödden begannen zu schrumpfen. Diesen Prozeß verstärkte die durch die Eisenbahn gewonnene Mobilität. In einem Waggon konnte man eine größere Menge an Stoff transportieren als dies fünfzig "Kiepenpötker" auf wochenlangen Wanderungen vermochten, dazu billiger und schneller. So war es auch in Ummendorf.
Das Sundersche Hauptgeschäft ging um 1880 ein, nachdem die Bahnstrecke Magdeburg - Braunschweig gebaut worden war und der Knotenpunkt nicht nach Ummendorf sondern nach Eilsleben gelegt wurde. Ummendorfs frühere Bedeutung schwand, zumal auch die Steinbrüche zum Erliegen kamen. Ein zweites Töddenkaufhaus in Ummendorf, wenn auch wesentlich später begründet, ist uns heute noch - in verändertem Erscheinungsbild - im Kaufhaus Beckermann erhalten. Gehört die Tordurchfahrt mit der Wollwaage längst der Vergangenheit an, so bleibt doch der stabile Haken an einem Balken in der Diele, neben vorhandenen Unterlagen, ein wahrlich greifbares, noch vorhandenes Zeugnis der Ummendorfer Kaufmannsgründungen.
von S.Vogel
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